Das Kannibalismus-Problem von Medien-Abos: Es kann nur einer gewinnen!
„Sagen wir, es gäbe 500 deutschsprachige Online-Medien mit (Teil-)Paywall, die alle nur per Abo zugänglich sind, sagen wir, 10 Euro pro Monat. Nehmen wir weiter an, ich gönne mir drei davon für je 10 Euro monatlich. 497 Anbieter bekämen dann gar nichts von mir, egal wie toll ihre Arbeit ist.“ Journalist Mario Sixtus beschreibt in einem einzigen Twitter-Thread das Finanzierungsproblem der deutschen Verlagsbranche.
Quelle: http://mimiandeunice.com/2011/07/14/zero-sum-economics/
Sagen wir, es gäbe 500 deutschsprachige Online-Medien mit (Teil-)Paywall, die alle nur per Abo zugänglich sind, sagen wir €10/Monat. Nehmen wir weiter an, ich gönne mir drei davon für je €10 monatlich. 497 Anbieter bekämen dann gar nichts von mir, egal wie toll ihre Arbeit ist.
— Mario Sixtus 馬六 🇪🇺🇭🇰 (@sixtus) January 5, 2020
Menschen geben ihr Geld bereits für so viele Abonnements aus: Etwa für Streamingdienste, Spotify, bestimmte Zeitungen oder Magazine. Ihr monatliches Budget für Medien haben sie also schon ausgeschöpft – mit etwas Glück haben sie ausreichend Geld für ein bis zwei Medien-Abos. Mit den Abo-Modellen laufen Verlage also Gefahr, sich auf ein Nullsummenspiel einzulassen: Damit auch nur ein Medium gewinnt, müssen alle anderen verlieren. Denn in diesem Modell müssten Nutzer Tausende von Euro im Monat ausgeben, nur um alle Artikel, die es hinter Paywalls gibt, lesen zu können.
Anstatt sich ausschließlich auf Abonnements zu verlassen, deren Einnahmen nur an ein oder zwei Medien fließen – den jeweiligen Lieblingsmedien des Lesers –, wird es höchste Zeit, dass Verlage breiter denken: Ohne ihre bereits bestehenden Einnahmequellen zu kannibalisieren beziehungsweise aufzulösen, sollten sie ergänzende, simple Bezahlmodelle einführen, die kontinuierlich Geld bringen. Daran glaubt auch Mario Sixtus.
Würden Artikel hingegen Pay-per-read funktionieren, sagen wir für 30 Cents/Text, könnte ich von meinen 30 Euro 100 Artikel/Monat lesen, von möglicherweise 100 verschiedenen Anbietern. Plötzlich hätten auch die hart Arbeitenden eine Chance, die ich nach dem Abo-Modell nie läse.
— Mario Sixtus 馬六 🇪🇺🇭🇰 (@sixtus) January 5, 2020
In einem früheren Blogeintrag haben wir über eine der wichtigsten Botschaften des diesjährigen GEN-Summit geschrieben – die Notwendigkeit, mit Musik- und Film-Plattformen um das Geld der Verbraucher zu konkurrieren – und über die Herausforderungen, die dies für die Verlage bedeutet. Auch der Reuters Institute Digital News Report 2019, der auf dem Event präsentiert wurde, warnt Verleger davor, dass Nutzer immer weniger bereit dafür wären, mehr als ein Abo im Monat abzuschließen. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, gerät die Branche in eine gefährliche Lage, wenn sie sich zur Erlösgenerierung ausschließlich auf Abonnements verlässt – eine Nullsummen-Situation.
Wenn Leser nur ein Abonnement abschließen, dann bekommt Verlag A alles, und die Verlage B bis Z erhalten überhaupt nichts. Anders ausgedrückt: Jeder Publisher konkurriert mit jedem anderen Publisher da draußen um jeden einzelnen Leser. Damit ein Verlag gewinnt, müssen alle anderen verlieren. Was für einen Wettbewerbs- und Margendruck das erzeugt, sah man in der Vergangenheit sehr gut an Märkten wie der Telekommunikationsbranche.
„Wer ist also Euer Problem, liebe Kollegen hinter den Paywalls, die Leser*innen, die nicht das umpfzigfache ihrer Wohnungsmiete für journalistische Texte ausgeben können oder Eure Verlagsleitung, die alle Erkenntnisse über das Andersticken von Lesern im Netzzeitalter ignoriert?“, bringt Sixtus das Problem auf den Punkt.
Wer ist also Euer Problem, liebe Kollegen hinter den Paywalls, die Leser*innen, die nicht das umpfzigfache ihrer Wohnungsmiete für journalistische Texte ausgeben können, oder Eure Verlagsleitung, die alle Erkenntnisse, über das Andersticken von Lesern im Netzzeitalter ignoriert?
— Mario Sixtus 馬六 🇪🇺🇭🇰 (@sixtus) January 5, 2020
Die Nullsummen-Situation ist ein gefährliches Unterfangen mit einem naheliegenden Zukunftsszenario: Gerade kleinere Verlage dürften zunehmend Marktanteile verlieren, wenn sie versuchen, gegen die Mainstream-Medien zu konkurrieren. Das wiederum reduziert die Vielfalt und Qualität der Berichterstattung, die dem Publikum zur Verfügung steht. Deswegen müssen Verlage alternative Bezahlmöglichkeiten anbieten, anstatt sich ausschließlich auf Abonnements zu verlassen. Zum Beispiel Contribution-Ansätze a la taz oder die Möglichkeit, einzelne Artikel oder Memberships zu erwerben. Diese sogenannten Low-Friction-Modelle generieren Umsätze zwar schleppender als Abos, aber sie lassen sich langfristig gesehen ausbauen und sind weitaus nachhaltiger.
Außerdem lassen sich so neue Kunden gewinnen, vor allem diejenigen, die ein Monats-Abo vielleicht nie in Betracht gezogen hätten. Je mehr Bezahlmöglichkeiten Verlage also anbieten, desto zukunftsfähiger werden sie.
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